Der Sprache zuhören: Trouvaillen Februar 2024

Die Sprach-Trouvaillen erscheinen jeweils auf der Linkedin-Seite der "Frischen Texte". Es sind kurze Reflexionen über Sprache und das Lernen durch Sprache.

2. Februar 2024
Der Sprache zuhören - Trouvaille der Woche:
«Ich bin gegen zusätzliche Quersubventionierungen der AHV»

Der Satz ist während einer Diskussion um die anstehenden Abstimmungen zur Zukunft der AHV geschrieben worden. Was löst der Begriff «Quersubventionierung» aus: Staatsverdruss, Überkompliziertheit, Drohgebärde und damit spontane Zustimmung? Vielleicht soll er das. Frage ist aber, ob er im richtigen Kontext verwendet wird.

Wikipedia definiert so: «Quersubventionierung (oder interne Subventionierung) nennt man in der Kalkulation die Subventionierung eines mit Betriebsverlust arbeitenden Unternehmens, Teilbetriebs oder Produktes/Dienstleistung durch einen anderen Betriebsteil oder ein anderes Unternehmen im Konzern unter Einsatz des von letzterem erzielten Gewinns. Sie kommt häufig bei öffentlichen Unternehmen und regulierten Monopolbetrieben vor.»

Verstünden wir die AHV also als Sparte des Unternehmens Staat, dann müsste Gewinn anderer finanziell erfolgreicher Unternehmens-Sparten für die AHV verwendet werden. Welches sind diese erfolgreichen Unternehmens-Sparten: Militär, Landwirtschaft, Verkehr, Gesundheitswesen, diplomatische Dienste?

Vermutlich ist «Quersubventionierung» in diesem Kontext doch eher der Versuch, zu imponieren und weniger der Versuch, die Diskussion zu erhellen.

Foto von Davide Cantelli auf Unsplash


 

9. Februar 2024
 Der Sprache zuhören - Trouvaille der Woche:
«Warum haben die jüngeren Generationen so felsenfest das Gefühl, man nehme ihnen etwas weg?»

Diese Frage stellt der Publizist Daniel Binswanger im Artikel mit dem Titel «Was bedroht den Generationen­vertrag?» (es geht um die Abstimmung über die 13. AHV-Rente).
Wer heute in der Zeit lebt, die für ihn oder sie vor - sagen wir - 40 Jahren die Zukunft war, wird sich vielleicht die Augen reiben. 40 Jahre lang in die Altersvorsorge investiert, um dann leicht ernüchtert festzustellen: irgendwie hat das mit der Existenzsicherung nicht geklappt. So stellen zahlreiche Mitglieder dieser Generation fest, dass etwas fehlt. Ob es ihnen jemand weggenommen hat, lässt sich nicht sagen. Aber: lässt sich noch etwas daran ändern?

Link zum Artikel von Daniel Binswanger



16. Februar 2024
Der Sprache zuhören - Trouvaille der Woche:
«Die Babyboomer gehen in den Ruhestand. Was für eine Welt hinterlassen sie und wofür müssen sie sich rechtfertigen?» (Artikel im Tages-Anzeiger)

Tatsächlich: mit 60 erhalten wir einen Freibrief der Nutzlosigkeit und müssen noch ein bisschen schönreden, was wir so angerichtet haben? Lernverbot ab 60?
Die paar Babyboomer, die wir kennen (und zu denen wir gehören), sehen das ein bisschen anders. Wir sind Teil dieser «Welt» und möchten sie nicht hinterlassen, sondern weiterhin und jetzt zu einer lebenswerten Zukunft beitragen. Voilà!



23. Februar 2024
Der Sprache zuhören - Trouvaille der Woche:
«Schwer lesbare Jahresberichte senken den Marktwert von Investmentfonds um bis zu 3,3 %.»

Das ist einer der Vorteile der sogenannt einfachen Sprache. Gidon Wagner präsentiert diese Vorteile in dem Whitepaper «Der Klartext-Effekt». Der Klartext macht Formulare verständlich, baut Reklamationen ab und macht Inhalte für Leserinnen und Leser attraktiv. Spannend ist das Kapitel über die Finanzindustrie. Sie hat es sich ja in den letzten Jahren zur Routine gemacht, ihre nebulösen Aktivitäten mit Nebelsprache zu umhüllen.
Hier geht's zum Download